Turmfalken schreiben Erfolgsgeschichte in Wangen

Hand mit Handschuh hält kleinen Turmfalken fest

Mit geübtem Griff hält Gerhard Lang den kleinen Turmfalken.

Gerhard Lang setzt den kleinen Turmfalken in den Brutkasten zurück. Siegfried Stampfer von der Stadtverwaltung assistiert.

Es gibt Geschichten, die nicht alle Tage passieren. Ein Turmfalkenjunges aus dem Martinstor hatte sich ins Einrichtungshaus Hiller in der Paradiesstraße verirrt. Das Team dort schaltete schnell, setzte den kleinen Kerl in einen Karton und benachrichtigte das Rathaus, von wo er abgeholt und dann bei Siegfried Stampfer von der Stadtbildpflege abgegeben wurde.

Er koordiniert seit zwei Jahren das Thema der Turmfalkenansiedlung. So verständigte er Gerhard Lang vom NABU, der das Projekt vom Naturschutz aus zu seinem Herzensthema gemacht hat. Er kam und setzte den kleinen Kerl in der rechten der beiden nördlichen Turmstuben wieder in seinen Heimatkasten im Martinstor ein. So hat der kleine Turmfalke jetzt eine zweite Chance, das Fliegen zu üben. Denn genau das scheint ihm misslungen zu sein. 
Die kleine Episode hat einen rund zweijährigen Vorlauf. 2021 wurde auf Initiative von Bauhofmitarbeiter Stefan Gufler ein Brutkasten im Pfaffenturm über dem Ratloch untergebracht. Kurze Zeit später meldete Gufler ein Turmfalkenpärchen als Bewohner. Wiederum zwei Wochen später lagen dort vier Eier im Nest, die erfolgreich ausgebrütet wurden. 2022 wurden – auch mit Unterstützung des Sanierungsbeauftragten Martin Schwenger – auf dem Frauentor, dem Pulverturm und dem Salzsilo im Bauhof Kästen für Turmfalken angebracht. In allen richteten Paare ihre Kinderstube ein und zogen 16 Jungtiere groß. 2023 ergänzte Stefan Gufler im Martinstor den Brutkasten, der prompt wie alle anderen besiedelt wurde. Inzwischen sind es 21 kleine Vögel, wovon 20 kürzlich von Gerhard Lang beringt wurden. Er hat eigens dafür bei der Vogelwarte in Radolfzell die Beringungserlaubnis „zur Populationsstudie für Turmfalken in Wangen“ erworben, wie es offiziell heißt. „Ein Vogel war noch zu klein, um einen Ring anzubringen. Deshalb blieb er ohne Ring“, erklärt Lang. Sechs weitere junge Turmfalken sind im Salzsilo im Bauhof zu Hause und sollen in den nächsten Tagen noch ihren „Personalausweis“ bekommen, scherzt Lang. Im kommenden Jahr wird man sehen, ob unter denen, die die Turmstuben dann hoffentlich aufsuchen, gebürtige Wangener sind.
Die Turmfalkenpopulation in den städtischen Gebäuden ist nicht die erste ihrer Art in Wangen, denn der NABU weiß auch von kirchlichen und privaten Nistkästen. 
„Wangen schreibt in Sachen Turmfalken eine echte Erfolgsgeschichte“, sagt Gerhard Lang. Er freut sich auch deshalb besonders, weil in früherer Zeit auch schon Erfahrung mit einem Misserfolg gemacht wurde. Man hatte versucht, einen Waldkauz anzusiedeln, doch das Pärchen blieb nur einen Sommer. Als einen Grund für Erfolg mit den Turmfalken nennt er die konsequente Kontrolle durch Stefan Gufler, der den Vögeln passgenaue Wohnungen gebaut hatte. Ein weiterer scheint das Nahrungsangebot zu sein. Turmfalken fressen mit Vorliebe Mäuse. „Ein erwachsener Turmfalke braucht täglich vier bis sechs Mäuse, ein Jungvogel bis zu eineinhalb Mäusen“, sagt der Fachmann.  „Dabei betreiben die Alten durchaus so etwas wie Vorratshaltung, denn manchmal liegen in den Kästen gleich mehrere tote Mäuse“, die nach und nach vom Nachwuchs vertilgt werden – übrigens mitsamt den Knochen. Sie werden später im Gewölle, das die Turmfalken am Ende der Verdauung heraufwürgen, nur noch in wenigen Stücken vorhanden sein. „Ganz sicher fressen sie keine anderen Vögel“, sagt Lang, denn das würde man zum Beispiel an anderen Federn im Brutkasten sehen. 
Aber andere Vögel konkurrieren mit ihnen um die begehrten Plätze in den Türmen. So hat der Vogelkundler auch schon beobachtet, wie Dohlen versucht haben, die Plätze zu besetzen und dabei den Kürzeren zogen. Und während des Gottesdienstes auf dem Marktplatz an Fronleichnam vertrieben zwei Turmfalken geräuschvoll zwei Milane.  
Auch die Störche sind erfolgreich
Übrigens ist auch das Anwachsen der Storchenpopulation in diesem Jahr auf den Dächern der Altstadt und in der ERBA eine Erfolgsgeschichte, wie der Storchenfachmann Georg Heine vom NABU berichtet. Auf dem ERBA-Schornstein zieht das Paar vier Junge groß, auf der Linde in der Nachbarschaft ist es ein Jungvogel. Auf dem Kornhaus wachsen zwei Störche heran und auf dem Rathaus, wo sich in diesem Jahr erstmal ein Paar angesiedelt hat, zeigen sich drei junge Störche. 

Nachgefragt: Wie verhält man sich richtig, wenn einem ein kleiner Vogel vor den Füßen sitzt, der nicht fliegen kann?
Man setzt ihn vorsichtig in einen Karton und ruft beim NABU an. In Wangen sind das Gerhard Lang und Georg Heine. Sie kümmern sich um oder wissen Rat. „Es ist etwas völlig Normales, dass junge Vögel irgendwo sitzen, weil sie das Fliegen noch nicht beherrschen. Wenn man sie ins Nest zurückbringt, klappt es oft schon beim nächsten Anlauf.“ 

Info: Wer den Turmfalken ins Nest schauen möchte, kann das online tun. Als die Aufnahmen gemacht wurden, waren sie rund eine Woche alt: https://youtu.be/Jh7-Ti138pg